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Die vier Männer trafen sich Montagmorgen. Die Luft war noch kühl und leicht feucht. Herr Max, leitender Bahnangestellter war verkatert. Er hatte ein trostloses Wochenende vor dem Fernseher verbracht. Neben Herrn Max stand Herr Schmidt, Makler, ein zupackender, energischer Mann. Kam erst heute Nacht von einem Segelschifftörn zurück. Die zwanzigjährige junge Frau, die ihn begleitet hatte, ließ er in Ulm aussteigen. Von dem Wochenende hatte er sich mehr versprochen. Sie war für seinen Geschmack zu gehemmt. Den Blick der Stadt zugewandt stand Herr Arndt, hoher Beamter bei der Stadt Stuttgart. Er war ein rundum zufriedener Mann. Herr Max kannte ihn vom gemeinsamen Tennisspielen im TCC Blau-Weiss am Kräherwald. Schöne Frau, zwei Kinder, drei Autos und sie lebten in einer Villa am Killesberg, die seine Frau mit in die Ehe brachte. Herr Jolie, der vierte Mann in der Runde, verbrachte wie immer das Wochenende mit seiner Mutter. Er goss den Garten, sie kochte. Diesmal gab es sein Lieblingsessen, Burgunderbraten mit Serviettenknödel und frischen Erbsen. Abends spielten sie Karten und unterhielten sich über seine Arbeit. Herr Jolie war Angestellter bei einem großen internationalen Maklerbüro in Frankfurt a.M. Er betreute multinationale Konzerne, die neue Standorte für ihre Niederlassungen suchten. Die vier Männer wandten sich ab vom Stuttgarter Hauptbahnhof und gingen Richtung Norden. Ihr Interesse galt dem ehemaligen Bahngelände mit seinen Lagerhallen, Zollhäuschen und zweistöckigen Bürogebäuden. Mit dem Gelände verbanden sich viele Erwartungen. Die Deutsche Bahn brauchte einen möglichst hohen Verkaufsabschluss für das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs, das durch unterirdische Durchgangsgleise ersetzt werden sollte. Die Politik und Wirtschaft arbeiteten schon seit Jahren daran, das Interesse internationaler Firmen für diesen attraktiven Standort zu wecken. Um alle Chancen zu nutzen, änderte die Stuttgarter Verwaltung den Bebauungsplan und genehmigte, entgegen der problematischen Lage im Nesenbachtalkessel hinsichtlich der Luftreinheit, eine mehrstöckige Bebauung auch mit Hochhäusern. Da vorwiegend in Büros und Hinterzimmern verhandelt wurde und wenig über die Presse an die Öffentlichkeit kam, gab es aus der Bevölkerung kaum Kritik. Zwar gab es zwei Gutachten, die übereinstimmend von der Bebauung mit Hochhäuser, wegen gesundheitlicher Folgeschäden der Bevölkerung dringend abrieten. Doch die Bürger waren ruhig und warteten ab. Seit Jahren wurde immer mal wieder über das Projekt geredet, doch niemand rechnete damit, dass es tatsächlich umgesetzt werden würde. Viele Interessen standen hinter der Begehung der Industriebrache rund um den Stuttgarter Hauptbahnhof. In den nächsten Wochen sollte alles abgerissen werden. Aus diesem Grunde trafen sich die vier Männer. Sie bereiteten den Verkauf und die neue Bürostadt „Stuttgart 21“ vor. In spätestens vier Monaten sollten die ersten Bauanträge beim zuständigen Amt zur Genehmigung vorliegen. Ausgerüstet mit einem Grundriss, Luftbildern und den ersten Kaufgeboten von Investoren durchquerten die vier Männer die Industriebrache. Kein Mensch war zu sehen. Einzelne Blumen blühten. Herr Jolie bemerkte schweifenden Blickes den blau-lila Rittersporn. Eine Katze streunte vorüber. Einzelne Fensterläden klappten leise im Wind. Herr Jolie genoss die Stille auf dem Gelände, dessen Bauten und Anlagen schon lange dem Zerfall preisgegeben wurden. Der Verkehrslärm verlor sich in der Weite und die Natur schien sich hier mittendrin einen Teil der Stadt zurückerobern zu wollen. Die vier Männer stiegen über umgefallene Mülleimer und bahnten sich ihren Weg über Erdhügel und Bauschutt. Auf dem ehemaligen Zollgelände 11 fanden sie die Leiche. Genaugenommen entdeckte sie Herr Max. Mit Ekel bemerkte er streunende Hunde und eine Schar schwarzer Vögel. Es war ein warmer Morgen, der Nachrichtensender sagte 28 Grad Celsius für den Tag voraus. Bei dem Gekläffe eines Hundes und dem Gekreische der Vögel sträubten sich seine Nackenhaare. Herr Max drängte die Gruppe in Richtung der Tiere. Er wollte sie verscheuchen, sie störten die Stille auf dem Gelände. Die Leiche lag mit dem Rücken zur Erde. Ein Mann, bekleidet mit einem brauen Anzug, Hände und Füße waren verstümmelt. Herr Schmidt näherte sich zögernd und wollte ihr die Augenlider schließen. In diesem Augenblick sah er, die ausgestochenen Augenhölen. Er wandte sich ab und musste sich übergeben. Herr Max ergriff die Initiative und alarmierte die Polizei.