Die Dunkelmagierchroniken: Die Erben der Flamme
Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, nachdem der Gottkönig der Welt Kyranis ihrer Magie beraubte und sich zum alleinigen Herrscher erkor. Seit jeher führen seine Anhänger, die Dunkelmagier, ein harsches Regiment über die vereiste Welt, in der nur unterirdisches Leben möglich ist. Unter ihrer Tyrannei fristen die überlebenden Rassen ein Dasein als Sklaven, geboren um dem Gottkönig bis in den Tod zu dienen. Im Rausch ihrer Macht verkennen sie jedoch, dass sich Widerstand regt – und das mitten unter ihnen. Band 1: Die Erben der Flamme In den Ruinen der Zwergenstadt Belerock zählt für die letzten Menschen der Welt nur eines: Überleben. Erbarmungslos bestimmen die Dunkelmagier das Leben von jedem von der Wiege bis zur Bahre. Lee ist ihr vorbestimmtes Schicksal als Untergebene zuwider, doch hätte sie nie zu träumen gewagt, dass ihr Protest am Großen Platz in eine gefährliche Reise mit dem jungen Aufwiegler Akio und dem archaischen Feuerwesen Cherome mündet, welche das Schicksal von ganz Kyranis verändern wird.
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Die Dunkelmagierchroniken: Die Erben der Flamme
Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, nachdem der Gottkönig der Welt Kyranis ihrer Magie beraubte und sich zum alleinigen Herrscher erkor. Seit jeher führen seine Anhänger, die Dunkelmagier, ein harsches Regiment über die vereiste Welt, in der nur unterirdisches Leben möglich ist. Unter ihrer Tyrannei fristen die überlebenden Rassen ein Dasein als Sklaven, geboren um dem Gottkönig bis in den Tod zu dienen. Im Rausch ihrer Macht verkennen sie jedoch, dass sich Widerstand regt – und das mitten unter ihnen. Band 1: Die Erben der Flamme In den Ruinen der Zwergenstadt Belerock zählt für die letzten Menschen der Welt nur eines: Überleben. Erbarmungslos bestimmen die Dunkelmagier das Leben von jedem von der Wiege bis zur Bahre. Lee ist ihr vorbestimmtes Schicksal als Untergebene zuwider, doch hätte sie nie zu träumen gewagt, dass ihr Protest am Großen Platz in eine gefährliche Reise mit dem jungen Aufwiegler Akio und dem archaischen Feuerwesen Cherome mündet, welche das Schicksal von ganz Kyranis verändern wird.
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Overview

Ein halbes Jahrhundert ist vergangen, nachdem der Gottkönig der Welt Kyranis ihrer Magie beraubte und sich zum alleinigen Herrscher erkor. Seit jeher führen seine Anhänger, die Dunkelmagier, ein harsches Regiment über die vereiste Welt, in der nur unterirdisches Leben möglich ist. Unter ihrer Tyrannei fristen die überlebenden Rassen ein Dasein als Sklaven, geboren um dem Gottkönig bis in den Tod zu dienen. Im Rausch ihrer Macht verkennen sie jedoch, dass sich Widerstand regt – und das mitten unter ihnen. Band 1: Die Erben der Flamme In den Ruinen der Zwergenstadt Belerock zählt für die letzten Menschen der Welt nur eines: Überleben. Erbarmungslos bestimmen die Dunkelmagier das Leben von jedem von der Wiege bis zur Bahre. Lee ist ihr vorbestimmtes Schicksal als Untergebene zuwider, doch hätte sie nie zu träumen gewagt, dass ihr Protest am Großen Platz in eine gefährliche Reise mit dem jungen Aufwiegler Akio und dem archaischen Feuerwesen Cherome mündet, welche das Schicksal von ganz Kyranis verändern wird.

Product Details

ISBN-13: 9783943406184
Publisher: Wölfchen Verlag
Publication date: 07/08/2017
Sold by: Libreka GmbH
Format: eBook
Pages: 500
File size: 1 MB
Age Range: 10 - 18 Years
Language: German

Read an Excerpt

Prolog Das Geheime Lager Brega hielt den Atem an. Eine Feuerwoge rollte über die Decke hinweg und fraß sich in Schichten aus Eis und Zeit. Sie prallte gegen einen mannshohen Eiszapfen, dessen Spitze sich löste und auf dem Boden zerschellte. Splitter bohrten sich in die Leiber von Bregas Feinden. 'Für die Freien Magier!', rief eine junge Frau triumphierend. Sie ging am Rand der Holzbrücke in Kampfposition und ihre zerstörerische Energie loderte ein weiteres Mal um ihre Hände auf. Von der Gegenseite schwappte eine grüne Rauchwolke über den Abgrund auf die Magierin zu. Ihr letzter Schrei verhallte in den undurchdringlichen Schwaden des Giftnebels. Als der Rauch wich, lag die Novizin reglos am Boden. Brega wandte seinen Blick ab und rutschte zur anderen Seite des Felsens, der den Eingang ins Geheime Lager flankierte. Seine Finger spannten sich um den Griff seiner Axt, als suche er vergebens Halt in einer Welt aus chaotischen Mächten, denen Stahl nicht gewachsen war. Ein Kind lag in einen Korb aus Wurzelfasern zu seinen Füßen. Eingehüllt in einer Lakami-Decke war lediglich sein rosa Gesichtchen zu sehen. Sein Plärren verband sich mit dem Missklang aus gemurmelter Magie und rezitierten Gesängen, die von den Eiswänden widerhallten. 'Schh, Oralee, dein Vater und deine Mutter kommen gleich.' Mit der freien Hand strich Brega über den Kopf des Mädchens, doch wollte es sich nicht beruhigen. Der Boden unter seinen Füßen bebte, als die Magie erneut aufprallte. Oralee machte einen überraschten Gluckser. Brega wagte einen Blick über den Felsen und erspähte Männer und Frauen in ausgeblichenen Roben, die am Rand des Abgrundes ausharr- ten, und um ihre Heimat kämpften. Magie umspielte ihre gespreizten Finger. Sie zeigte sich in einem Schauspiel der Elemente, deren Wirken an den Eiswänden reflektiert wurde. Unablässig flogen ihre Geschosse auf die Gegenseite der Brücke. Brega hielt weiterhin Ausschau nach Oralees Eltern. Beim Schallen des Alarms waren sie sofort aufgebrochen, um ihren Brüdern und Schwestern beizustehen. Iltharis und Loranu hatten ihm den Schutz ihres Kindes anvertraut. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Der Schweiß auf seiner Haut vermischte sich mit den herabregnenden Tropfen der Eisdecke, die sich durch die zunehmende Hitze des Magiewirkens auflöste. Jahr um Jahr war die Kälte der Oberfläche tiefer in die Erde eingedrungen und hatte die Zuflucht mehr und mehr zu Eis erstarren lassen. Nun zerging es durch jene arkanen Kräfte, welche sich die Freien Magier selbst verboten hatten, um ihre Spuren zu verwischen. Bis heute. Die Dunkelmagier hatten den Unterschlupf der letzten Freien Magier von Kyranis gefunden und waren gekommen, sie zu vernichten. Angespannt verfolgte Brega das Geschehen. Die Schlacht tobte weiterhin, die magischen Angriffe seiner Verbündeten konzentrierten sich inzwischen auf den neu entstandenen Schatten auf der gegenüberliegenden Seite der Grotte. Die Dunkelmagier hatten sich mit einem Netz ihrer finsteren Magie umgeben. Brega versuchte, die Gestalten vor dem Höhlenaufgang zu erkennen, das Gegenlicht der Oberwelt konnte das magische Netz der Dunkelmagier jedoch nicht durchdringen. Ebenso verhielt es sich mit den Magieschlägen der Freien, die von dem dunklen Magiekokon einfach verschluckt wurden. Eine Stimme wie tausend Messerstiche erklang aus dem Inneren des Schutzschildes. Ihr Krächzen übertönte den Lärm des Kampfes: 'Ihr Narren! Die Macht des Einen durchfließt uns. Mit eurer kümmerlichen Restmagie könnt ihr nicht bestehen. Zeigt Reue und ergebt euch, so sollt ihr Gnade des Gottkönigs erfahren.' 'Für die Freien!', schallte es als Antwort aus allen Kehlen. Der Aufschrei der letzten freien Magier von Kyranis beantwortete der dunkle Sprecher mit Gelächter. 'So denn, sterbt durch die Faust der Eisorks. Angriff!' Nicht der eindringende Wind ließ Brega frösteln, es war die Präsenz der Kälte selbst, die sich nun zu rühren begann. Hinter der Magiehülle der Dunkelmagier traten saphirblaue Ungetüme hervor, die sogleich auf die Brücke zumarschierten. Ihre Schritte waren träge und schlurfend, sie wirkten wie wandernde Schneehügel, welche die Holzbrücke überrollten. Vor einem Jahr war Brega im Geheimen Lager erwacht, ohne sich an sein vergangenes Leben erinnern zu können. Stets empfand er es wie eine Wiedergeburt, doch während er die Eisorks jetzt betrachtete, wurde ihm klar, dass diese nicht die ersten waren, denen er begegnet. Tief in seinem Innern wusste er, dass sie einer gut geführten Axt nicht standhalten würden. 'Ich muss ihnen beistehen, Kleines.' Vorsichtig zog Brega die Kapuze tiefer über Oralees Gesicht und schob den Korb in eine Mulde unter dem Felsen hinein. Dies würde vorerst als Versteck genügen. Er musste sich dennoch zwingen, von dem Mädchen abzulassen. Rasch überwand Brega den Abstand zur Front. Mit der Axt in der Hand stürmte er an der Spitze der Freien Magier über die Brücke. Weiße, pupillenlose Augen der Eisorks blickten stoisch durch ihn hindurch. Ihre Hauer ragten wie Dolche aus den Fratzen hervor und ihre Hornhaut erinnerte Brega an ein zerklüftetes Eisfeld. Darunter befanden sich jedoch dumpfe Wesen, deren Lebenssinn es war, ihren Erschaffern, den Dunkelmagiern, zu gehorchen und für sie zu kämpfen. Bis zu ihrem Ende. Das Aufstampfen der Eisorks ließ die Brücke erzittern. Ihre breiten Körper behinderten sie selbst, nur drei fanden zugleich auf dem Überweg Platz. Noch ehe Brega den ersten Eisork erreichte, umschlang diesen ein blitzartiges Netz. Das Ungetüm wurde zu Seite gerissen und stürzte in die Tiefe. Nur noch ein Krachen verkündete seinem Aufprall auf den Eisspitzen, die sich wie Raubtierzähne vom weit entfernten Abgrund abhoben. 'Guter Schuss!', rief Brega dem Magiernovizen zu, der an seiner Seite erschienen war. Der Junge erwiderte es mit einem Lächeln, das jedoch einen Moment später in seinem Gesicht erstarb. Brega folgte seinem Blick. Kalte Angst umschlich sein Herz, aber waren es nicht die Eisorks, die sie auslöste. Pechschwarze Tentakel flogen aus dem Kokon der Magier über die Brücke hinweg und griffen nach der Eisork-Gruppe. Bald waren die Wächter vollkommen von rauchenden Magiesträngen umschlossen; ein Schutzschild. Brega fluchte über die Hinterlist der Dunkelmagier, doch würde er sich davon nicht beeindrucken lassen. Er überwand die wenigen Meter zum nächsten Eisork und drosch auf ihn ein. Schwerlich durchschnitt das Axtblatt die magischen Schlingen, die sofort wieder zusammenwuchsen. Der Eisork schwang seinen steinernen Knüppel, doch Brega duckte sich mühelos unter dem Schlag hinweg. Die Axt abwehrend vor dem Körper setzte er zurück. Wie Salz in einer Wunde brannte in Brega der unüberhörbare Hohn der Dunkelmagier. Er hob die Waffe über den Kopf, machte eine Halbkreisbewegung und ließ sie auf die Brust eines Orks niederfahren. Knirschend durchbrach die Axt die harte Eishaut. Ohne jegliche Regung im Gesicht sackte der Koloss zu Boden, woraufhin sein Nebenmann den Platz einnahm. Sofort ging dessen Knüppelschlag auf Brega nieder, er konnte jedoch zur Seite ausweichen. Ein Blitzstrahl fuhr einen Augenblick später an ihm vorüber und prallte Funken sprühend auf die Brust des Eisorks. 'Brenne!' Erneut erschien der Novize neben Brega. Das angeschlagene Monster taumelte, wurde aber von zwei dahinter stehenden Waffenbrüdern weiter vorgeschoben. Zu dritt schlurften sie auf Brega und den jungen Blitzmagier zu. 'Kommt doch her!' Der Novize holte provozierend mit seinem Stab aus und wollte den übergroßen Feinden entgegenlaufen. Brega schnappte sich den kampfwütigen Jüngling und zog ihn zurück. Gerade noch rechtzeitig. Die Wucht des mehrmaligen Aufpralls riss sie beide zu Boden. In Bregas Ohren dröhnte es. Durch tränenverschleierte Augen sah er die drei Eisorks vor ihm wie weiße Fackeln aufleuchten, ehe sie zu Asche zerfielen. Aus der Ferne rauschten Magiekugeln und Blitze an Brega und den Novizen vorüber in den Pulk von Eisorks auf der Brücke hinein. Die Freien Magier hatten ihren Angriff fortgesetzt. Doch schritten die Eisorks weiterhin über die Brücke. 'Rückzug!' Eine befehlsgewohnte Stimme drang zu Brega durch und sofort wandte er sich um. Sein Blick fand einen Mann in sackähnlicher Robe und Haaren wie Stroh. Der Anführer der Freien Magier blickte über den Abgrund auf die andere Seite. Iltharis’ Haltung wirkte entschlossen. 'Beeilt euch!' Brega zerrte den widerspenstigen Novizen mit sich und folgte den anderen Magiern hintendrein. Einen Herzschlag später lag er erneut auf den Holzbohlen der Brücke. Klauen aus Schwärze umschlossen Bregas Beine, ehe er reagieren konnte, und brachten ihn sofort zu Fall. Neben sich sah er den Novizen liegen, ebenfalls von schwarzer Magie umschlungen. Seine Augen waren geschlossen und eine Platzwunde prangte ihm auf der Stirn. Wie Fesseln schnürte der Tentakelzauber der Dunkelmagier sich enger um Bregas Körper. Er stemmte sich gegen das magische Gefängnis, doch alsbald war er zur Bewegungslosigkeit verdammt. 'Brega!' Er vernahm Iltharis‘ Stimme. Der oberste Magier des Geheimen Lagers streckte in jenem Moment seine Hände aus und ein flimmerndes Grün spross aus ihnen hervor. Eine Frau in dunkelroter Robe gesellte sich an Iltharis' Seite. Ihr Körper begann orangegelb aufzuleuchten, als Flammen nach ihr leckten. Loranu legte eine Hand auf Iltharis’ Schulter. Ihr Feuerzauber tastete sich vor und vermischte sich mit dem Grün in den Händen ihres Mannes. Die Holzbohlen unter Brega vibrierten. Doch er schaffte es, den Kopf soweit zu drehen, um in ein ausdrucksloses, bleiches Gesicht zu blicken. Ein Eisork näherte sich mit gleichmäßigen Schritten. 'Rührt euch nicht!', rief Iltharis. Braune Ranken wuchsen aus den Händen des Naturmagiers und Loranus Feuer umspielte das Geflecht, sodass es aufflammte. Gleich einem Peitschenschlag schnellten die brennenden Ranken auf die Tentakel um Bregas Körper nieder. Kräfte wallten um ihn, als wollten sie die Luft aus ihm herauspressen. Die Pflanzen zerlegten die schwarzen Fangarme, bis schließlich die Tentakel mitsamt Iltharis’ Naturzauber verpufften. Übrig blieb lediglich Staub. Brega setzte sich auf und amtete durch. Ein klobiger Schatten erschien über ihm - er agierte reflexartig. Der Sprung nach hinten bewahrte ihm das Leben, denn eine Sekunde später zertrümmerte der Steinknüppel des Eisorks das Holz der Brücke, wo er gerade noch gelegen war. Mühevoll kroch Brega zu dem reglosen Jungen, packte ihn an den Unterarmen und zog ihn mit sich. Der von schwarzen Fäden eingehüllte Eisork holte erneut aus. Ebenso taten es die beiden Mitstreiter, die in diesem Moment an seiner Seite erschienen waren. Brega bemerkte, wie sich etwas über ihm bewegte. Aus dem Nichts war ein glühender Film an der Decke erschienen. Lava prasselte wie Regen auf die drei Eisorks nieder. Sie verschwanden in einem Schwall aus Dampf, fielen um und rührten sich nicht mehr. Brega wandte sich ab, wuchtete sich den Novizen auf die Schulter und rannte zum Ende der Brücke. Sofort schlossen ihn dutzende Freie Magier ein und verstärkten den Angriff gegen die nahenden Eisorks. Brega entfernte sich ein gutes Stück vom Kampfgeschehen und suchte Deckung hinter einer Ansammlung von Felsen. Eine greise Heilerin nahm sich sogleich des jungen Blitzmagiers in seinen Armen an. 'Wo ist sie?' Zwei Hände rissen ihn unwirsch herum. Loranus Augen glühten wie Stichflammen. Ein Kranz aus Feuer hatte sich um ihre Handgelenke gebildet. 'Sag mir, wo meine Tochter ist!' Ein mehrfacher Aufschrei lenkte Loranu und Brega ab. Die Eisorks hatten die Brücke soeben hinter sich gelassen und gingen in den Nahkampf über. Dumpf gingen die Keulenschläge auf die Körper der Magier nieder, Brega hörte, wie Loranu die Luft einsog. Er fühlte sich, als ob jeder Hieb ihn selbst treffen würde. Iltharis erschien an Loranus Seite. 'Wo ist Oralee, Brega?' 'In Sicherheit', erwiderte dieser schnaufend und deutete auf den Felsen am Eingangstunnel. 'Sie ist in der Mulde. Dort, wo du deine Sachen für die Jagd bereitlegst.' Iltharis‘ Blick wurde hart. 'Nimm sie und geh.' Brega brauchte einige Sekunden, um zu begreifen. Er wollte etwas erwidern, doch Loranu kam ihm zuvor. 'Nein! Nicht so!' Iltharis umschloss die schlagenden Hände seiner Frau, die sofort unter seinem Griff erlahmten. 'Es ist Oralees einzige Chance.' Brega hörte nicht, was Loranu sagte. Der Druide berührte das Gesicht seiner Frau und auch seine Lippen formten lautlose Worte. Brega erkannte, dass sie sich mittels Gedanken unterhielten. Loranu riss sich von ihrem Mann los und trat Brega entgegen. Die Qual in ihren Augen verwandelte sich in ein Inferno, als sie sich vor ihm aufbaute. 'Beschütz sie.' Es war keine Drohung, die aus Loranus Stimme sprach. Es war die Bitte einer Mutter, die bereit war, ihr einziges Kind wegzugeben. 'Ich werde sie beschützen', sagte Brega. Er wusste, dass er niemals anders entschieden hätte. Loranu nickte kaum merklich. Abrupt wandte die Feuermagierin sich ab und eilte zurück zum Kampfgeschehen. Iltharis senkte eine Hand auf seine Schulter. 'Vor einem Jahr habe ich dich im Schneesturm gefunden und dich vor dem Tod bewahrt. Ich habe dich im Geheimen Lager aufgenommen und wie einen Bruder behandelt. Nun begleiche es.' Bregas Lippen zitterten. Er war unfähig, etwas zu erwidern. 'Nimm den Fluchttunnel, bevor es zu spät ist', fügte der Naturmagier hinzu. Wie zu Bestätigung von Iltharis’ Worten durchbrachen sechs Eisorks gerade die Verteidigungslinie der Freien Magier. Weitere setzten ihnen nach. Brega duckte sich instinktiv, als plötzlich eine Wand aus Feuer über die ausfallenden Eisorks hinweg flog und explodierte. Die Höhle bebte. Iltharis und Brega hielten einander fest. Ein Blick genügte und sie beide wussten, dass dies Loranus Werk gewesen war. Unbeeindruckt preschten die Eisorks in den neu entstandenen Aufschlagskrater hinein und stiegen über ihre toten Kameraden. Iltharis schrie gegen den tobenden Kampflärm an. 'Fliehe, mein Freund, und schau nicht zurück. Geh nach Süden, zur Zwergenstadt im Berg!' 'Ich soll nach Belerock aufbrechen, zum Herzen des Feindes?' Brega starrte Iltharis mit offenem Mund an. 'Der beste Schutz vor dem Feind ist unerkannt in seiner Mitte zu sein', spottete Iltharis mit zerknirschtem Gesicht. 'Auf Kyranis gibt es keinen sicheren Ort mehr. Der letzte wird gerade eingenommen. Ich vertraue dir, Brega. Hier, nimm das. Schnell!' Iltharis ließ einen goldenen Gegenstand in Bregas Hände fallen. Es war ein Ring. Der eingefasste Opal glühte, als würde er aus sich selbst heraus leuchten. 'Bewahre ihn gut.' Iltharis lächelte. 'Wir halten sie so lange wie möglich auf. Los jetzt!' Brega schaute seinem Freund in die Augen, dann wandte er sich ohne Worte der Verabschiedung ab und lief zum Eingang des Lagers. Mit einem Sprung überwand er den Felsen. Er kniete nieder und zog den Korb zu sich heran. Es fuhr ihm wie ein eiskalter Dolch durchs Herz, als Oralee sich nicht rührte. Rasch beugte er sich fingerbreit vor ihrem Gesicht hinab und lauschte. Der Atem war leise, aber er war da. Brega unterdrückte die Tränen, die ihm bereits kommen wollten. Das Mädchen schlief. All der Lärm und das Weinen hatten es wohl erschöpft. Brega nahm den Korb an sich und eilte ins Innere des Geheimen Lagers. Ein letztes Mal drehte er sich um. Inmitten der Freien Magier machte er ein grüngelbes Licht aus. Loranus Feuer hüllte sie gänzlich ein, während Iltharis von Gewächsen umwuchert war. Einen Augenblick später verlor Brega Oralees Eltern aus den Augen, als die Eisorks sie erreichten. Die Geräusche der Schlacht echoten durch den Tunnel, als ob auch hier gekämpft wurde. Das Grunzen der Eisorks, die Schreie der Magier, das Dröhnen der arkanen Mächte; alles verklang, je weiter er sich entfernte. Die Fackeln waren wie einzelne Inseln, die Bregas Weg mehr verdunkelten denn beleuchteten. Das zerklüftete Eis warf groteske Schattenspiele an die Wände. Endlich erreichte er den Raum mit dem Felsvorsprung. Direkt dahinter befand sich unsichtbar für den außenstehenden Betrachter ein Spalt. Mit Oralee in den Armen kroch Brega den Fluchttunnel hinauf. Er erreichte den Aufgang zur Falltür, die zu Kyranis’ Oberwelt führte. Brega keuchte. Er hörte, wie sein Atem rasselte. Fern von der Schlacht wirkte die plötzlich einbrechende Stille trügerisch. Erneut musste er seine Vergangenheit hinter sich lassen, so wie damals, als er hier im Geheimen Lager ohne Gedächtnis aufgewacht war. Die Erinnerung an das Leben im Lager würde jedoch diesmal nicht aus seinem Kopf verschwinden. Diese kostbaren Bilder und das kleine Bündel in seinen Armen waren alles, was ihm verblieben war. Brega weinte, als er die Falltür öffnete. Er wusste nicht, ob von blendenden Strahlen oder dem Schmerz in seiner Seele. Die Welt empfing ihn mit Licht und Kälte. Kapitel 1. Brega holte den Rohling mit der Zange aus dem Schmiedefeuer der Esse, legte ihn auf den Amboss und fing an, ihm mit dem Hammer eine neue Gestalt zu verleihen. Er erinnerte sich an die Worte des Dunkelmagiers, der vor einiger Zeit bei ihm eine Metallverkleidung für seine Edelsteintruhe bestellt hatte. 'Du schlägst mit dem Hammer auf ein Stück Metall - sonst nichts. Also stimmt es doch. Ihr Ruinenbewohner seid nur für stupide Arbeit zu gebrauchen!' Brega hatte so getan, als würde er nichts verstehen, bis der Magier und sein Diener samt Truhe wieder seine Schmiede verlassen hatten. Im Stillen hatte er den hochnäsigen Kerl jedoch verwünscht. Nur Unwissende meinten, dass er einfache Arbeit verrichtete. Dabei war jeder Hammerschlag anders; mal stärker, mal sanfter. Auf den Rhythmus kam es an. Nur so wurde das glühende Eisen flacher und bekam eine Krümmung. Brega hatte es im Blut, wie er schlagen musste, um am Ende die Form zu erhalten, die er bereits vor Augen sah. Schmieden war eine Kunst. Brega seufzte. Was würde er dafür geben, wenn er aus diesem wunderbaren Stück Metall ein Schwert machen dürfte! Seit dreizehn Jahren war er nun Schmied in Ab’Nahrim, den Tempelruinen von Belerock, und bis jetzt hatte er nur Messer und Werkzeuge, aber nicht eine einzige Waffe erschaffen. Die Dunkelmagier hatten den Ruinenbewohnern das Herstellen und Tragen von solchen verboten. Brega verspürte dennoch stets Freude an seiner Tätigkeit. Sogar mehr als das. Im Scherbenhaufen seiner verlorenen Erinnerungen hatte er ein Bild bewahrt. Umgeben von Wasserdampf, spritzenden Funken und der Musik von klirrendem Metall sah er sich selbst vor Esse und Amboss stehen. Er wusste einfach, dass er bereits vor seinem Leben im Geheimen Lager Schmied gewesen war. Die Schmiede, in der er arbeitete, war vor langer Zeit von seinem Vorgänger in einer Onyxhalle erbaut worden. Brega empfand es nicht allzu gemütlich in den Tempelruinen von Ab’Nahrim, in welchen er arbeitete und lebte. Doch die Schmiede wärmte bei Nacht und das Zusammensein mit Lee und Vran hatte ihn jegliches Bedürfnis nach Komfort vergessen lassen. 'Das Essen ist fertig.' Brega schaute auf. Vran stand im Säulentor der Onyxhalle und lächelte. Wie immer fühlte er sich, als würde etwas in ihm in Schwingung geraten. Das Lächeln war all die Jahre unverändert geblieben. Es war genauso wie in seiner Erinnerung, als Vran ihn damals gefunden und gerettet hatte. Ewigkeiten schien es Brega her zu sein, als er völlig entkräftet mit Lee die Zwergenstadt Belerock erreicht hatte. In den Slums von Ab’Nahrim suchte er im Unrat nach Essen und bettelte um Unterkunft. Überall jagten sie ihn fort, beschimpften und bespuckten ihn. 'Wie heißt dein Kind?' Das Lächeln und die Worte waren es, die Brega zurückholten. Vran war ihm in der schäbigen Gasse wie ein Geist vorgekommen, als sie sich zu ihm hinab beugte und das Kind in die Arme nahm. 'Keine Sorge, ich bin Hebamme. Dann kommt mal beide mit.' Sie hatte Brega und Lee zu ihrer Tempelbehausung geführt, in der bereits zwei andere Familien lebten. Während er jetzt das Gesicht seiner Ehefrau betrachtete, das von einem entbehrungsreichen Leben gezeichnet war, aber dennoch Schönheit und Güte bewahrt hatte, wusste Brega, dass er nicht nur vor dreizehn Jahren Glück besessen hatte. 'Ich bin gleich fertig', sagte er und lächelte. 'Mach nicht zu lange.' Vran entfernte sich aus der Onyxhalle. Brega trocknete sich das schweißnasse Gesicht ab und begutachtete seine Arbeit. Es fehlten noch einige Schläge, bis er zufrieden sein konnte. Er tauchte das Eisen in den Wasserbottich. Das Zischen des Dampfes ging durch den Raum und das Stück knackte. Er musste schmunzeln, als er an seinen Meister dachte. Bis zu seinem Tod vor wenigen Jahren hatte Otras jedem Kunden gerne die Geschichte von seinem sonderbaren Lehrling erzählt: 'Der Kerl kam in meine Schmiede, ich wollte ihn testen. Brega nahm den Hammer und legte los. Ich schaute zu. In wenigen Stunden war der Dolch für meinen guten Alchemisten fertig! Eine Arbeit, für die selbst ich einen Tag gebraucht hätte!' Otras hatte damals in der Goldenen Pyramide um Aufnahme von Brega als seinen Gehilfen gebeten. Nur die wohlwollenden Worte jenes guten Alchemisten, eines angesehenen Dunkelmagiers in Belerock, hatte eine Überprüfung von Brega verhindert und für seine Einstellung bei Otras gesorgt. Dadurch war er der Verpflichtung eines jeden Ruinenbewohners entgangen, in den Minen von Ab’Nahrim nach Erz und Edelstein schürfen zu müssen. Dies entsprach der allgemeinen Arbeit in den Tempelruinen, falls man scheiterte, die Dunkelmagier von seinen Fähigkeiten zu überzeugen und damit einen besseren Beruf zu erlangen. Bis heute lag Brega manchmal wach in seinem Bett, seine Dummheit verfluchend. Was wäre damals ohne die Befürwortung jenes Alchemisten geschehen? Sie hätten einen Wahrheitszauber auf mich anwenden können. Sie hätten herausgefunden, wie ich mit Lee in Belerock eingedrungen bin und sie hätten Lees wahre Herkunft erkannt. Kurz vor seinem Tod hatte Otras die Schmiede an Brega vermacht. Es erwies sich als günstige Wendung. Denn Vran verlor zur selben Zeit ihre Behausung und auch ihre Arbeit als Hebamme. Ohne Vorwarnung tauchte ein Dunkelmagier vor ihrer Haustür auf und beschlagnahmte den Tempel als sein Eigentum. Die Szene erschien Brega noch heute leibhaftig vor Augen. Vrans Tränen in den Augenwinkeln, als der Magier hämisch grinsend seine neue Behausung bezogen hatte und seine Gedanken, ihn dafür zu erwürgen. Doch geschahen jene Hausbesetzungen nicht selten in Ab’Nahrim. Vran, Brega und Lee waren samt der anderen Familien hinausgeworfen worden. Daraufhin hatten sie sich von den Familien getrennt und waren in das Obergeschoss von Otras Schmiede gezogen. Brega zog das Eisen aus dem Bottich und legte es weg. Er verschaffte sich einen Überblick, was heute noch zu tun war. 'Brega!' Der Schmied fuhr herum. Lee eilte am Tisch vorbei auf ihn zu. Wie immer schaute Brega zweimal hin, um sicherzustellen, dass diese junge Frau einmal das Mädchen gewesen war, welches hier vor ihm gesessen und mit Eisenfigürchen gespielt hatte. Wo war das unbezähmbare Haar geblieben, wo die Schnute, die er so geliebt hatte? Lee wirkte inzwischen unglaublich ernst. Bei ihrem Anblick flüsterte manch Zwergenhändler Dschungelelf, da seine Tochter angeblich die Anmut und die Grazie des legendären Volkes von Duskan besitzen sollte. Doch Brega hielt nicht viel vom Gerede der Zwerge - so wie von Zwergen allgemein. Lee war vierzehn geworden und Brega schmerzte es, da sich der Zeitpunkt näherte, an dem sie ihn verlassen und ihr eigenes Leben mit einem Mann beginnen würde. Ihm graute allein die Vorstellung, dass irgendein Jüngling bei ihm aufkreuzen und um Lees Hand bitten würde. Doch der Tag rückte näher und Brega wusste, dass er sich innerlich darauf vorbereiten musste. Vor einigen Tagen hatte ihm bereits Vran gesagt, dass er akzeptieren müsse, dass Lee erwachsen wurde. Die Flammen der Esse beschienen Lees Gesicht. Die leicht schräg stehenden Mandelaugen funkelten. 'Oralee, wie siehst du wieder aus?', fragte er. 'Dein Gesicht ist so schwarz wie dein Haar.' 'Oh, Brega. Nenn mich doch endlich so wie alle anderen auch', sagte Lee eingeschnappt. Brega lachte in sich hinein. Außer ihm nannte sie keiner bei vollem Namen. Er machte es auch nur, wenn er streng sein wollte. So wie jetzt. 'Die Kapuzen an den Schutzmänteln sind nicht zur Zierde da.' Brega betonte 'Schutz' mit einer Anspielung auf Lees geöffneten Mantel und den vor Ruß starrenden Gewändern darunter. Lee betastete ihr Gesicht und den Hals. Brega entging nicht, wie sie überaus rasch den Kragen hochzog. So leicht kriegst du den Schmutz nicht los, dachte er belustigt, doch zugleich fand er es befremdlich, dass ihm seine Tochter dabei nicht in die Augen sehen konnte. Vran nannte es nutzlos, wenn man seinen Kindern in einer unterirdischen Zwergenstadt, umgeben von Lavaflüssen, rauchenden Maschinen, Fabriken und Werkstätten, beibringen wollte, mehr auf ihr Äußeres zu achten. Brega hatte noch nicht aufgegeben. Es ging ihm auch um etwas anderes. Ab’Nahrim blieb gefährlich, egal wie sehr Vran oder Lee ihm von Gegenteil überzeugen wollten. Dabei dachte Brega weniger an die Lava, die sich durch Ab’Nahrim zog, sondern vielmehr an das, was in der Luft lag und aus Belerock zu ihnen in die Tempelruinen hinüber wehte. Der Ruß der Schmieden, die Asche auf den Straßen, der Qualm der Öfen; all dies konnte eingeatmet werden und war nicht harmlos. Jeder, der außerhalb von Tempeln verkehrte, war dazu verpflichtet, zu seinem eigenen Schutz ein Gesichtstuch und Kapuze als auch einen Stoffmantel aus Lakami-Fasern zu tragen. Die hellbraunen Lakami-Sträucher wuchsen in der Nähe von Lavaströmen. Ihre Feuer- und Hitzeresistenz suchte Ihresgleichen, sodass der Mantel aus Lakami den besten Schutz für ein Leben in den Tempelruinen bildete. Auch Brega hatte sich daran gewöhnt, Lakami wie eine zweite Haut zu tragen. Bei seiner Ankunft in Ab’Nahrim hatte er nicht an die wundervolle Wirkung glauben wollen, doch hatte er erlebt, was mit Ruinenbewohnern geschah, die sich gegen Lakami sträubten. Sie wurden mit der Zeit krank und gingen langsam zur Grunde. Lakami entfaltete seine Wirkung jedoch nur, wenn er dicht am Körper getragen wurde - und nicht lose hinab hing. Brega senkte die Stimme. 'Ich werde dir nicht jeden Tag sagen, wozu der Mantel gut ist und …' 'Ist doch egal wie ich aussehe!', warf Lee dazwischen. 'Sie haben ihn mitgenommen.' Brega hielt verdutzt inne. Lee fluchte, wie es ein Zwerg nicht besser gekonnt hätte, und sprach weiter. 'Ein Spürhund tauchte mit seinem Eisork im Unterricht auf. Sie haben Nandir einfach mitgenommen.' Brega versuchte, sich seine Bestürzung nicht anmerken zu lassen, obwohl sein Innerstes bebte. Von Vran wusste er, dass Nandir einer von Lees Mitschüler war. Angst regte sich in ihm. Das Gefühl, verfolgt zu werden, war all die Jahre nicht von ihm gewichen. Spürhund war die verächtliche Bezeichnung für die Sucher der Dunkelmagier, deren Aufgabe es war, jegliche Magie aufzuspüren, die Bewohner in Ab’Nahrim in sich trugen. Angeblich sollte es einstmals Wesen auf vier Beinen gegeben haben, von dem der Name abstammte. Vor der Eiszeit. Sie sollten wilde Jäger gewesen sein, die ihre Beute im Rudel verfolgten und erlegten. Manche Leute behaupteten gar, sie würden noch in der Oberwelt existieren. Brega tat diese Schankmärchen der Zwerge gerne mit einem Lächeln ab. Doch Ruinenbewohner liebten solche Geschichten. 'Das ist nicht alles', fuhr Lee fort. Sie zog ihre Nase kraus, als hätte sie etwas Ekliges gerochen. 'Nach der Schule prahlte Kala damit, dass es ihr Vater gewesen war, der Nandirs Familie in der Goldenen Pyramide gemeldet hat: 'Mein Vater, der Vorsitzende der Schattenhand, hat die Verbrecher erwischt, die Nandir seinen Platz als Gesegneten wegnehmen wollten!’' Lee ahmte das Mädchen aus ihrer Klasse auf beeindruckende Weise nach, doch Bregas Sorgen nahmen dadurch nicht ab. Er kannte die Schattenhand nur zu gut. Oft kam ein Schattenprediger in seine Schmiede und begann seine Kundschaft einzulullen. Zu gerne wollte er diesen scheinheiligen Spinnern jedes Mal den Hammer über den Kopf ziehen, wenn er sie sah. Aber hielt er sich stets zurück und wartete, bis sie von selbst gegangen waren. Die Gefahr, sich zu verraten, war zu groß. Unter den Bewohnern von Ab'Nahrim war die Schattenhand ein Kult von Fanatikern, welche die Dunkelmagier anbeteten und sich bei ihnen anbiederten. Ihre Besessenheit ging sogar so weit, dass sie den Irrglauben um den dubiosen Gottkönig von den Dunkelmagiern übergenommen hatten und ihn mit Gebetsorgien in versteckten Grotten in Ab’- Nahrim auslebten. Ebenso wie die Spürhunde der Dunkelmagier hatten sie es sich zur Aufgabe gemacht, Magiekundige unter den Bewohnern Ab’Nahrims aufzudecken. Anhänger der Schattenhand nutzten jedoch List als Waffe gegen ihre Mitmenschen. Sie beschatteten ihre eigenen Nachbarn, suchten nach verräterischen Anzeichen oder setzten gar Gerüchte in die Welt. Brega wusste, was Familien drohte, die magiefähige Kinder, auch Gesegnete genannt, versteckt hielten. Eine Gefangenschaft in den Katakomben der Zwergenminen. Dies würde nun den Eltern dieses Nandirs bevorstehen. 'Kala sagte, sie hofft, dass Nandirs Eltern verrotten', sagte Lee. 'Da habe ich sie gestoßen und sie ist hingefallen.' 'Du hast was?' Brega trat Lee entgegen. Seine Tochter war groß geworden, sie überragte bereits Vran. In diesem Augenblick wirkte sie jedoch wie ein trotziges, kleines Mädchen. 'Du verstehst es nicht.' Lee hielt seinem Blick stand und machte eine sachte Handbewegung. Sie ahmte wohl den Schlag nach. 'Ich habe Kala kaum berührt, sie ist mit Absicht hingefallen.' 'Habe ich dir so ein Benehmen beigebracht?' Brega konnte seine Wut kaum zügeln. Röte stieg ihm ins Gesicht. 'Jemand musste etwas tun!', protestierte Lee. 'Das Biest kommandiert alle in der Klasse herum, denkt sie wäre etwas Besseres wegen ihrem großkotzigen Vater!' Auf einmal beschlich Brega eine unsagbare Kälte, die vom Nacken her den Rücken hinab wanderte. Wenn Kalas Vater wirklich einen hohen Posten in der Schattenhand besaß - die Folgen waren unabsehbar. Brega riss der Geduldsfaden. 'Wie konntest du nur so dumm sein?' Er ließ seine Faust scheppernd auf den Tisch niedergehen. 'Du bist alt genug, um zu wissen, dass man sich nicht mit der Schattenhand anlegt!' 'Du behandelst mich wie ein Kleinkind', erwiderte Lee. Ihre Stimme färbte sich dunkel. 'Von deiner Angst wird mir schlecht.' 'So sprichst du mit mir?', gab Brega schwach zurück. Aber Lee lag goldrichtig. Er fürchtete sich um sie. Wie gerne würde er Lee sagen, warum er sich so verhielt, woher seine Vorsicht rührte. Er konnte es nicht - so wie die letzten dreizehn Jahre nicht. 'Ich hab keine Angst.' Lee presste ein flaches Lachen hervor. 'Soll Kala zu ihrem Vater gehen und petzen, dann holen sie mich wie Nandir. Aber ist es nicht egal? Alle sind falsch in Ab'Nahrim, die Lehrer, die Schüler, die Leute. Alle sprechen hinter vorgehaltener Hand und belügen sich. Auch du bist verlogen.' Brega fuhr es wie ein Hieb in die Magengrube. Ungläubig musterte er seine Tochter. Was hatte er bloß falsch gemacht? Ehe er sich seiner Worte klar werden konnte, war Brega an Lee heran und legte ihr beide Hände auf die Schultern. 'Irgendwann werde ich es dir erklären.' Brega schluckte. Was er auch Weiteres sagen wollte, es blieb ihm im Hals stecken. Erst jetzt erkannte er, dass etwas fehlte - etwas Bestimmtes, für das er vor vielen Jahren sein Wertvollstes opfern musste, um es zu erlangen. Brega wurde sich jetzt bewusst, warum Lee vorhin den Kragen so auffällig hochgezogen hatte. 'Wo ist dein Shako?', flüsterte er. Sein Griff spannte sich an. 'Ich habe ihn versehentlich abgelegt', erwiderte sie kleinlaut. Der gehetzte Blick in Lees Augen ging Brega zu Herzen. Aber was sie getan hatte, war unentschuldbar. Es war ihm, als würden die quälenden Gedanken von Jahren zugleich auf ihn einprügeln. 'Lüg mich nicht an!' Brega schüttelte sie. 'Wie konntest du ihn nur abnehmen? Was, wenn die Spürhunde dich bemerkt hätten? Sie hätten dich mitnehmen können!' Zeit ihres Lebens hatte er Lee beschützt sowie ihre Tarnung aufrechterhalten. Nun konnte alles vergebens sein - wegen eines verdammten Halsrings. 'Brega, lass sie los.' Schwer atmend blinzelte er, suchte nach der ruhigen Stimme, als ob er sich im Nebel seiner Angst vortasten musste. Vran stand an seiner Seite. Ihr Blick war auf seine Hände gerichtet, die immer noch auf Lees schmalen Schultern lagen. Als hätte er sich verbrannt, ließ Brega Lee frei. 'Es tut mir leid.' 'Ich hasse dich.' Unter Tränen wich seine Tochter zurück. 'Er hat es nicht so gemeint, Lee', beschwichtigte Vran. Lee riss ungestüm an ihrem Kragen und holte mit der anderen Hand den glanzlosen Eisenring aus ihrer Manteltasche hervor, wegen dem der ganze Ärger entstanden war. 'Da.' Sie legte sich sogleich den Shako an ihren Hals. Es klickte, als das Schloss des Rings einrastete. 'Bist du nun zufrieden, ja? Jetzt gehöre ich wieder dazu. Jetzt bin ich wieder ein Sklave, genauso wie du mich haben willst!' 'Lee, bitte.' Brega streckte eine Hand nach seiner Tochter aus. Sie kam ihm zuvor, indem sie sich an den Tisch vorbeipresste und wegrannte. Brega lief ihr hinterher. 'Wo willst du hin?' 'Dorthin, wo du nicht bist!' Lee verschwand aus der Onyx- Halle. 'Warte …' Eine Hand hielt Brega zurück. 'Lass sie', sagte Vran. 'Sie beruhigt sich wieder.' Widerwillig verharrte er auf der Stelle. 'Ich weiß nicht, was sie vorhat.' 'Nein. Das weißt du nicht und du musst dich daran gewöhnen, es nicht zu wissen. Wie oft noch, Brega … Lee ist kein Kind mehr', sagte Vran. Er schwieg und senkte den Blick. Sie legte eine Hand an seine Wange. 'Lee hat sehr viel von dei- nem aufbrausenden Charakter. Und dass, obwohl sie nicht dein Kind ist.' Bregas Augen weiteten sich. Er wich einen Schritt zurück. 'Wie kannst du das wissen?', keuchte er. 'Nie habe ich all die Jahre … warum?' Die Erkenntnis, dass seine Frau über all die Jahre Bescheid wusste, überforderte ihn. 'Denkst du, ich bin blind, alter Brummer? Ich habe euch damals in der Gasse nahe der Taverne aufgefunden. Bereits da wusste ich, dass du nicht ihr Vater bist - und dass nicht wegen dem Äußeren.' Vran schmunzelte, wurde jedoch gleich wieder ernst. 'Ich spürte es. Nenn es die Intuition einer Hebamme.' Vran gab Brega wieder das Lächeln, das er liebte, das er jetzt so sehr brauchte. Ihm fehlten die Worte. 'Ich wollte nie deine Vergangenheit wissen', fuhr Vran fort. 'Aber Lee verändert sich und ich sehe nun, ich muss alles erfahren, um ihr helfen zu können. Nach der ganzen Zeit könntest du mir endlich verraten, vor was ihr damals geflohen seid.' Vran wartete. Brega seufzte ergeben und setzte sich zu seiner Frau. Dann fing er an zu erzählen.

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