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Mord auf dem Aasee Daniel Schmidt Sonntag, 15:12 Uhr, Aasee Münster «Nicht so schnell, ich komm nicht hinterher!» Johanna keuchte und fluchte leise vor sich hin. Sie hatte zuletzt vor acht Jahren auf Schlittschuhen gestanden und schien es irgendwo zwischen Kreissaal und Küche verlernt zu haben. Wieder einmal wurde ihr klar, wie wenig Zeit sie für sich selbst hatte in den letzten Jahren, doch jetzt waren Ferien, Jonas bei den Großeltern und sie konnte einfach so den Tag genießen. Sie lächelte verzaubert. Rundherum lag strahlend weißer Schnee, die Sonne lachte vom blauen Himmel und der ganze Aasee war dick zugefroren, das gab es schon seit Jahren nicht mehr. Ihr Atem blies kleine Wölkchen in die kalte Luft. «Markus, warte doch auf mich!» Er lachte nur in der Ferne, winkte ihr zu und drehte weiter seine Runden. Er fuhr in Richtung der kleinen Brücke, wo nicht so viele Leute unterwegs waren. Johanna fuhr etwas weniger elegant hinterher. Sie sah, wie Markus zum Sprung ansetzte. Der olle Angeber. Sie lachte vor sich hin. Genau das mochte sie an ihm, diese ungestüme Art, dieses Draufgängerische. Ein doppelter Rittberger war‘s nicht, doch sie klatsche von weitem und er verbeugte sich, um sogleich zum nächsten Versuch Anlauf zu nehmen. Er sprang ab und stürzte aufs Eis. Johanna lachte, doch als er nicht wieder aufstand, gefror ihr Lachen und eine leichte Panik ergriff sie. Sie rief ihn und lief so schnell es ihr unter den gegebenen Umständen möglich war zu ihm. «Schatz, hast du dir wehgetan? Ist alles in Ordnung?» «Ja ja, mir geht’s gut aber hier liegt was unter dem Eis. Sieht aus wie eine Leiche!» Johanna ließ ihren Blick über das Eis gleiten. Tatsächlich, durch das Eis schimmerte eindeutig die Kontur eines Menschen hindurch. *** Sonntag, 16:07 Uhr, Aasee Münster Hauptkommissar Kiepenbrock war wütend. Auf und unter der Modersohnbrücke standen lauter Menschen und machen Fotos mit ihren Handykameras. Mittendrin ein einsames Blaulicht und neben dem Auto stand Schröder, mit dem Telefon am Ohr. Eine Leiche im Aasee, das hatte ihm gerade noch gefehlt. Warum hat die nicht noch einen Tag warten können. Er würde das Schröder aufdrücken, sollte er sich mal nützlich machen, der Frischling. «Schröder! Hören Sie auf zu telefonieren. Her mit den Fakten!» «Fakten? Wir wissen noch gar nichts, außer dass da jemand unterm Eis liegt. Ich habe das THW angefordert und die Feuerwehr. Und die Spusi natürlich.» «Gut, dann warten Sie hier, bis die Spurensicherung da ist. Sehen Sie zu, dass die Schaulustigen hier verschwinden, die zertreten jede Spur, sofern überhaupt noch was zu zertreten ist. Nehmen Sie die Zeugenaussagen auf und sorgen Sie dafür, dass Platz für die Bergungsmannschaft gemacht wird. Ich will, dass die Leiche heute noch obduziert wird, morgen will ich die Ergebnisse auf dem Tisch! Ich muss jetzt wieder nach Hause, meine Frau lässt sich scheiden, wenn ich schon wieder sonntags arbeite. Schröder ich zähl auf Sie!» «Jawohl Chef, ich kümmere mich darum. Aber da ist auch noch die Presse, die hätten gern ein Interview.» «Lassen Sie mal, das mache ich schon!» Auch das noch. Diese Pressefritzen waren so nervig. Klar, gab ja sonst nichts zu berichten hier in der Provinz, wo höchstens mal ein Fahrrad geklaut oder bei rot über die Ampel gefahren wurde. «Meine lieben Damen und Herren von der Presse, sie verpassen nichts, wenn Sie jetzt nach Hause gehen. Es gibt hier wirklich nichts, worüber man berichten könnte. So wie es aussieht, schwimmt eine Leiche unterm Eis. Die Polizei wird alles unternehmen, um den Tod aufzuklären, wenn es sein muss auch mit einer Sonderkommission. Wir werden Sie natürlich auf dem Laufenden halten. Gehen Sie nach Hause und trinken Sie einen Glühwein!»